Die geplante Gesetzesnovelle zur Eindämmung der Corona-Pandemie soll nun doch weniger strenge Regeln für nächtliche Ausgangsbeschränkungen enthalten als ursprünglich geplant. Das teilten Teilnehmer der Beratungen der Regierungskoalition am Montag mit. Ausgangsbeschränkungen soll es demnach zwischen 22.00 Uhr und 5.00 Uhr geben. Joggen und Spaziergänge sollen bis Mitternacht erlaubt sein. Im Einzelhandel soll das Abholen bestellter Waren (Click & Collect) weiterhin möglich sein. Für Schulen wäre, wenn das Gesetz so vom Bundestag beschlossen wird, Distanzunterricht ab einem Inzidenzwert von 165 verpflichtend. Im ursprünglichen Entwurf war hier ein Schwellenwert von 200 genannt worden.
Der Bundestag will am Mittwoch über die Änderungen im Bevölkerungsschutz abstimmen. Ziel dabei ist es, Einschränkungen des öffentlichen Lebens bundesweit einheitlich zu regeln – mit der sogenannten Notbremse: Falls die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Stadt oder einem Landkreis drei Tage hintereinander über 100 Fällen pro 100 000 Einwohner liegt, sollen dort jeweils die gleichen Regeln gelten.
Neu in dem Gesetzentwurf ist zudem, dass die Bundesregierung keine Verordnungen zur Eindämmung der Pandemie am Bundestag vorbei erlassen kann. Die alte Fassung des Gesetzentwurfs sah vor, dass es der Bundesregierung ermöglicht wird, “zur einheitlichen Festsetzung von Corona-Maßnahmen Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen”.
Fast 20 Prozent der Bevölkerung geimpft
Bislang sind 19,8 Prozent der Bevölkerung in Deutschland mindestens einmal gegen das Coronavirus geimpft worden. Das geht aus dem Impfquotenmonitoring des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Montag hervor (Stand: 8.00 Uhr). Demnach wurden etwa 16,4 Millionen Menschen einmal geimpft, weitere 5,5 Millionen haben den vollen Impfschutz.
Dabei haben die sieben Bundesländer Rheinland-Pfalz, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig Holstein, das Saarland und Bremen bereits die 20-Prozent-Marke bei jenen erreicht, die mindestens eine Impfung erhalten haben. Der Stadtstaat Bremen hat mit 22,9 Prozent die höchste Quote. Am Wochenende impften die Ärzte weniger als unter der Woche. Samstag und Sonntag verabreichten sie insgesamt 599 226 Impfungen.
RKI: Sieben-Tage-Inzidenz steigt auf 165,3
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert-Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 11 437 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt auf 165,3 (von 162,3 am Vortag). Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100 000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben.
92 weitere Menschen sind in 24 Stunden in Verbindung mit dem Coronavirus gestorben. Damit erhöht sich die Zahl der Todesfälle auf 80 006. Insgesamt wurden bislang mehr als 3,15 Millionen Menschen in Deutschland positiv auf das Coronavirus getestet. Am Montag fallen die Zahlen der Neuinfektionen und Todesfälle in der Regel niedriger aus, da nicht alle Gesundheitsämter Daten an das RKI übermitteln.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag nach dem RKI-Lagebericht von Sonntagabend bei 1,16 (Vortag: 1,22). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 116 weitere Menschen anstecken. Liegt der R-Wert für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen.
Mehr Abo-Kündigungen im ÖPNV als zu Beginn der Corona-Krise
Seit den erneuten Lockdown-Maßnahmen vom November beschleunigt sich die Abwanderung von Stammkunden bei Bussen und Bahnen. Rund 15 Prozent der früheren Abo-Kunden hätten ihr Ticket inzwischen gekündigt, teilte der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Ingo Wortmann, der Deutschen Presse-Agentur mit.
“Zu Beginn der Pandemie haben uns unsere Kundinnen und Kunden mit einem Abonnement in einem hohen Maße die Treue gehalten”, sagte er. Damals lag die Abwanderungsquote laut VDV bei lediglich rund fünf Prozent. “Mit Beginn der erneut verschärften Beschränkungen Ende des vergangenen Jahres nehmen wir jedoch aufgrund der zunehmenden Dauer der Pandemie – mit vielen Menschen, die weiterhin in Kurzarbeit sind oder von zu Hause arbeiten – eine Zunahme der Kündigungen wahr”, teilte Wortmann weiter mit. Bei den Zahlen handele es sich um einen bundesweiten Durchschnitt über alle Regionen und Verkehrsträger hinweg.
Die Verkehrsunternehmen in Deutschland haben allein im vergangenen Jahr Einbußen in Höhe von zusammen rund 3,5 Milliarden Euro verzeichnet. Mit einem ebenso hohen Schaden rechnet der VDV auch für das laufende Jahr. Die Unternehmen halten den Bus- und Bahnverkehr trotz eingebrochener Fahrgastzahlen weitgehend aufrecht. Bislang haben Bund und Länder fünf Milliarden Euro Unterstützung zugesagt. Verband und Unternehmen verhandeln derzeit über eine weitere Finanzspritze. Viele Unternehmen versuchen unterdessen, die Kunden mit neuen Abomodellen und Zeitkarten zu halten und zurückzugewinnen.
Bundestagsfraktionen beraten weiter über Notbremse
Die Beratungen über eine bundesweite Corona-Notbremse gehen in die möglicherweise entscheidende Woche. Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD sprechen an diesem Montagvormittag in Videokonferenzen über Änderungen am Infektionsschutzgesetz. Das Parlament hatte vergangene Woche erstmals über den Entwurf der Regierung beraten, am Mittwoch will es darüber abstimmen. Am Wochenende gab es noch Verhandlungen zwischen den Koalitionsfraktionen über letzte Änderungen.
Ziel des Gesetzes ist es, Einschränkungen des öffentlichen Lebens bundesweit einheitlich zu regeln – mit der sogenannten Notbremse: Falls die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Stadt oder einem Landkreis drei Tage hintereinander bei mehr als 100 Fällen pro 100 000 Einwohner liegt, sollen dort die meisten Geschäfte geschlossen bleiben. Zudem sollen zwischen 21 und fünf Uhr Ausgangsbeschränkungen gelten.
Vor allem aus der FDP hatte es dazu in den vergangenen Tagen viel Kritik gegeben. Auch mit einer Verfassungsklage wurde dabei gedroht. Generalsekretär Volker Wissing nannte nun Bedingungen, unter denen seine Partei darauf verzichten würde. “Uns geht es darum, ein besseres Gesetz zu bekommen”, sagte er den Partnerzeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Dafür müsse es im Bundesrat zustimmungspflichtig werden und die Hoheitsrechte der Länder in Bildungsfragen achten. Auch sollten “unzulässige Grundrechtseingriffe” wie Ausgangssperren gestrichen werden. “Das wäre für uns ein gangbarer Weg”, sagte Wissing.
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) plädierte dafür, auch die Versammlungsfreiheit einzuschränken. Im Bild-Talk sagte er am Sonntagabend: “Es wäre sinnvoll, wenn der Bund in das Infektionsschutzgesetz ganz ausdrücklich aufnimmt, dass man auch das Versammlungsrecht hier einschränken kann so wie andere Grundrechte.” Auch wenn Versammlungsfreiheit ein hohes und schützenswertes Gut sei: Mit der Auflösung von Großdemonstrationen wie in Dresden und Leipzig “überfordert man die Polizei”, sagte Tschentscher.
Länder verschärfen Regeln
In einigen Bundesländern gelten bereits von diesem Montag an deutlich strengere Regeln. In Brandenburg soll eine Ausgangsbeschränkung zwischen 22 Uhr und fünf Uhr für Regionen gelten, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz drei Tage lang bei mehr als 100 liegt. Ab 200 Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in einer Woche sollen in Landkreisen und kreisfreien Städten alle Schulen geschlossen werden. Auch die Kitas sollen in den Regionen mit 200er-Inzidenz schließen.
Mecklenburg-Vorpommern ist seit Mitternacht in einem Lockdown. Schulen, Kitas, Museen, Bibliotheken und die meisten Geschäfte dürfen nicht öffnen. Friseure, Baumärkte, Blumen- und Buchläden können hingegen geöffnet bleiben, ebenso der Lebensmittelhandel, Banken, Drogerien und Apotheken. Private Treffen dürfen nur noch mit einer Person außerhalb des eigenen Hausstands stattfinden. Zweitwohnungsbesitzer und Dauercamper aus anderen Bundesländern dürfen nicht nach Mecklenburg-Vorpommern kommen. Touristische Ausflüge in den Nordosten waren zuvor schon verboten.
Auch für Corona-Hotspots in Baden-Württemberg gelten von Montag an einheitlich schärfere Regeln. Wo die Zahl der Neuinfektionen an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 100 liegt, treten schärfere Kontaktregeln in Kraft, außerdem gibt es nächtliche Ausgangsbeschränkungen. Museen, Galerien und Zoos wie auch Wettannahmestellen müssen schließen, für den Friseurbesuch ist ein negativer Schnelltest erforderlich. Abholangebote im Einzelhandel nach dem Prinzip Click & Collect bleiben erlaubt.
Steinmeier: “Sie alle fehlen. Wir vergessen sie nicht”
Bundespräsident Steinmeier hat auf einer zentralen Gedenkveranstaltung an die Verstorbenen in der Corona-Krise erinnert. Die Pandemie sei über die Menschen hereingebrochen, sie habe Wunden geschlagen, Lücken gerissen. Und sie sei immer noch nicht vorbei.
Viele Menschen seien im vergangenen Jahr einen einsamen und oft qualvollen Tod gestorben. 80 000 Menschen seien es in Deutschland. Drei Millionen weltweit. Und “Tag für Tag sterben weitere”https://www.sueddeutsche.de/politik/.”Auch in dieser Stunde ringen Menschen auf den Intensivstationen mit dem Tod”, betont Steinmeier im Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin.
Er warnt davor, das Leid der Corona-Pandemie zu verdrängen. Sein Eindruck sei, “dass wir uns als Gesellschaft nicht oft genug bewusst machen, dass hinter all den Zahlen Schicksale, Menschen stehen”, sagt Steinmeier. “Eine Gesellschaft, die dieses Leid verdrängt, wird als Ganze Schaden nehmen.”
“Sie alle fehlen – in ihren Familien und Freundeskreisen, in der Nachbarschaft, im Kreis der Kollegen, in unserer Gesellschaft”, sagt der Bundespräsident. Sie alle kämen nicht zurück. “Aber sie bleiben in unserer Erinnerung. Wir vergessen sie nicht.”
“Sterben in der Pandemie – das war und das ist oft ein Sterben ohne Beistand und ohne Abschied”, sagt Steinmeier. Es zerreiße das Herz und mache “unendlich traurig”, zu wissen, dass Menschen sterben mussten “ohne ein letztes zärtliches Wort, einen letzten liebevollen Blick, einen letzten Händedruck”.
Der Bundespräsident erinnert aber auch an Ärzte und Pfleger, die Tag und Nacht um jedes Leben kämpften, auch an Seelsorger, an all jene, die “bis zuletzt für Sterbende da sind, die versucht haben, ihnen trotz allem einen Abschied in Würde zu ermöglichen”. Nicht wenige hätten sich dabei selbst angesteckt, einige seien gestorben.
Steinmeier machte das Leid der Hinterbliebenen deutlich, die ihre Angehörigen vor deren Tod nicht beistehen konnten. “Es gibt keine Worte für ihren Schmerz.” Er verstünde ihre Verzweiflung und ihre Bitterkeit, die sich vorwürfen, ihre Liebsten im Stich gelassen zu haben.
Das Virus habe die Gesellschaft tief erschüttert. “Die Politik musste schwierige, manchmal tragische Entscheidungen treffen, um eine noch größere Katastrophe zu verhindern.” Steinmeier appelliert daran, über Schmerz, Leid und Wut zu sprechen, sich aber nicht in Schuldzuweisungen und im Blick zurück zu verlieren: “Sammeln wir noch einmal die Kraft für den Weg nach vorn, den Weg heraus aus der Pandemie, den wir gehen wollen und gehen werden, wenn wir ihn gemeinsam gehen.” Die Pandemie, die zum Abstand zwinge, dürfe nicht auch noch die Gesellschaft auseinandertreiben.