Rare Ware – Sport – SZ.de

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In einem normalen Sommer wäre das ein ganz normaler Transfer gewesen. Ein Werksklub holt einen jungen Stürmer vom Markt, er sichert sich das Talent, bevor andere Klubs auf dieselbe Idee kommen. Angeblich acht Millionen Euro hat sich der VfL Wolfsburg die Anwerbung des 22-jährigen Lukas Nmecha kosten lassen, eine unauffällig solide Investition, wie es in einem normalen Sommer scheinen würde: Nmecha, bislang im Besitz von Manchester City, ist als Mittelstürmer schon ganz gut entwickelt und hat eine beachtliche Leih-Saison beim RSC Anderlecht hinter sich. Seine Reifezeit ist allerdings noch längst nicht abgeschlossen, der Weg nach Wolfsburg folgt also einer seriösen Laufbahnplanung.

Nmecha muss dort nicht gleich die Welt retten, er kann erst mal zuschauen, wie der etablierte Torjäger Wout Weghorst das macht, und er kann ihn immer wieder unterstützen dabei. Er kann Spielpraxis sammeln, ohne unter Druck zu stehen. Und sollte Weghorst den VfL Wolfsburg in den kommenden Wochen noch verlassen, hätte der Verein zumindest einen Teil der Nachfolge schon geregelt – und Nmecha, gebunden bis 2025, würde etwas mehr als nur ein bisschen Spielpraxis sammeln.

1:4 gegen Lyon: Wolfsburg verliert mit Trainer van Bommel den nächsten Test

Für Lukas Nmecha ist das allerdings kein normaler Sommer, und er kann nicht mal besonders viel dafür. Vielleicht hätte er sich vorher überlegen sollen, ob er die U21-EM wirklich als Torschützenkönig und Europameister mit Deutschland verlassen möchte, aber sein Alleinstellungsmerkmal kann man ihm auf keinen Fall vorwerfen. Er ist ein junger, vielversprechender, für die deutsche A-Nationalelf spielberechtigter Mittelstürmer: Das reicht schon, um ihn in den Fantasien der Leute größer zu machen, als er im Moment ist.

Ein Transferexperte, der die Personalie genau verfolgt hat, berichtet, dass Nmechas Stellenwert auf dem Transfermarkt viel wuchtiger gewesen sei, als es der Statur eines U21-Stürmers eigentlich entspreche. Acht bis zehn Klubs haben sich offenbar um den Spieler beworben, die meisten davon aus der Bundesliga. Nmecha ist eine rare Ware und verspricht eine gewaltige Wertsteigerung: Ohne dass sich der neue Bundestrainer Hansi Flick je darüber geäußert hätte, wird Nmecha bereits in den spekulativen Kader für die WM 2022 in Katar aufgenommen – das bedenklich mittelstürmerlose Land projiziert enorme Hoffnungen in diesen veranlagten Angreifer, der Konstanz auf höchstem Niveau allerdings erst nachweisen muss.

Von Nmechas Qualitäten sei man “immer überzeugt” gewesen, sagt Wolfsburgs Sportdirektor Marcel Schäfer. Nmecha war in der Saison 2019/20 schon mal ein halbes Jahr nach Wolfsburg ausgeliehen, und nun, bei seiner Rückkehr, darf er immerhin in der Champions League spielen. Allerdings hat der VfL unter dem bereits grummelnden neuen Trainer Mark van Bommel gerade drei Testspiele hintereinander verloren, zuletzt am Samstag 1:4 gegen Olympique Lyon. Aber wahrscheinlich lag das ja alles nur daran, dass Lukas Nmecha noch nicht mitgespielt hat.