Le Bourget Kampfflugzeuge donnern über den kleinen Flughafen von Le Bourget. Zunächst zeigt die französische Rafale ihre Fähigkeiten, später steigt die amerikanische F-35 auf. Im Anschluss versammeln sich im Konferenzzentrum von Le Bourget dann Verteidigungsminister und andere Vertreter aus 20 europäischen Ländern, die auf Einladung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu einem Luftverteidigungs-Gipfel gekommen sind.
Die Europäer wollen in den kommenden Jahren große Summen in den Schutz ihres Luftraums investieren. Wenn es nach Macron geht, sollten sie dabei vor allem eigene Waffensysteme entwickeln. In einer Rede vor den Ministern am Montagabend warnte er davor, überstürzt auf die Technologie aus den USA zu setzen.
Darin steckt eine Kritik an Deutschland. Berlin hat sich zuletzt für amerikanische F-35-Kampfjets und das israelisch-amerikanische „Arrow 3“-Raketenabwehrsystem entschieden. US-Rüstungsfirmen hoffen in Le Bourget auf weitere Bestellungen.
F-35-Hersteller Lockheed Martin ist mit einem großen Stand vertreten. Auch Israel Aerospace Industries (IAI), das gemeinsam mit Boeing hinter „Arrow 3“ steht, hat für seine Ausstellung viel Platz in einer der Messehallen angemietet.
Frankreich wünscht sich strategische Autonomie
Der russische Angriff auf die Ukraine hat den europäischen Ländern vor Augen geführt, dass sie ihre Luftverteidigung dringend modernisieren müssen. Im Herbst 2022 schlug Kanzler Olaf Scholz (SPD) vor, dass die Europäer ihren Luftraum mit einem gemeinsamen System verteidigen.
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Der deutsche Vorstoß trug maßgeblich zur schlechten Stimmung zwischen Berlin und Paris bei, die zur kurzfristigen Absage des deutsch-französischen Ministerrats Ende Oktober führte. Die Franzosen waren zwar eingeladen, sich an Scholz’ „European Sky Shield Initiative“ (Essi) zu beteiligen, nahmen das Angebot aber nicht an.
Sie fühlten sich überrumpelt. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar kündigte Macron dann eine eigene Konferenz zur europäischen Luftverteidigung an. In französischen Regierungskreisen wird betont, dass das Treffen in Le Bourget aber keine Konkurrenzveranstaltung zur deutschen Initiative sein solle. Diese sieht man in Paris als reine Beschaffungsallianz, die wichtige strategische Fragen der künftigen Verteidigung des Luftraums über Europa nicht beantworte.
Macron wirft Deutschland indirekt „Fehler“ vor
Die Essi-Initiative wird wohl auf das „Arrow 3“-System setzen. Macron sagte nun, es wäre ein „Fehler“, voreilig nicht-europäische Waffensysteme zu beschaffen, ohne zunächst gemeinsam die Bedrohungsszenarien zu analysieren. „Dann kaufen wir massiv das ein, was in den Regalen liegt, auch wenn es sich später als nutzlos herausstellt.“
Er rief dazu auf, Rüstungsgüter aus europäischer Herstellung zu bevorzugen. „Warum müssen wir immer noch zu oft amerikanische Produkte kaufen?“, fragte er und gab gleich selbst die Antwort: Die Amerikaner hätten „viel mehr standardisiert“ und würden ihre Hersteller mit massiven Subventionen unterstützen.
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Auch Beobachter halten das deutsche Vorgehen für unausgegoren: „Die fehlende politische Einigkeit zeigt, dass der deutsche Vorstoß die europäischen Sicherheitsinteressen nicht berücksichtigt, Partner nicht überzeugt und viele Fragen zur strategischen, militärischen, industriellen und ökonomischen Ebene offenlässt“, heißt es in einer Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik zur Essi. „Die zu lösende Gesamtgleichung lautet: Die Fähigkeitslücke ist schnellstmöglich zu schließen, ohne die europäischen Entwicklungsprogramme zu schwächen oder gar zu gefährden.“
Wie sehr es zwischen Paris und Berlin beim Thema Luftverteidigung noch ruckelt, zeigt die zunächst vertagte Entscheidung über die deutsche Teilnahme an der Konferenz in Le Bourget. Demnach rechneten die Franzosen nur mit Staatssekretär Benedikt Zimmer als Vertreter des Bundesverteidigungsministeriums. Erst wenige Stunden vor Beginn war klar, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) doch selbst anreist.
Aus Regierungskreisen in Berlin hieß es, Pistorius wolle bei der Konferenz deutlich machen, dass das Essi-Projekt keine Konkurrenz zu Nato und EU sei, sondern beide Organisationen stärken solle.
Deutschland will nicht auf europäische Projekte warten
Scholz warb unterdessen bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erneut für die deutsche Initiative. „In Europa müssen wir in die Luftverteidigung investieren“, sagte der Kanzler am Montag in Berlin. „Mit der European Sky Shield Initiative bringen wir Staaten Europas zusammen, gemeinsam den Schutz vor ballistischen Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen zu erhöhen.“
Gerade Deutschland verfügt nur über teils veraltete und zu wenige Systeme für die Luftverteidigung. In der SWP-Analyse heißt es, die deutschen Fähigkeiten könnten gegenwärtig nur eine Fläche schützen, die in etwa so groß sei wie das Stadtgebiet Berlins. Für die Raketenabwehr in besonders großen Höhen fehlt der Bundeswehr bislang ein Schutzschirm – die Aufgabe soll nun „Arrow 3“ übernehmen. Der Bundestag bewilligte vergangenen Woche die Mittel dafür, die Kosten werden auf rund vier Milliarden Euro geschätzt.
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Im Pariser Verteidigungsministerium wird darauf verwiesen, dass es europäische Alternativen dazu gebe, beispielsweise das von der Reichweite her mit den US-Flugabwehrraketen Patriot vergleichbare SAMP/T. Frankreich und Italien haben das System gemeinsam entwickelt.
Und später kommt das europäische Luftkampfsystem FCAS, bei dem ein Kampfflugzeug mit einem Drohnengeschwader zusammenarbeiten soll. Auf der Messe in Le Bourget zeigt FCAS auf einem riesigen Bildschirm eine Simulation, wie der vernetzte Luftkampf der Zukunft aussehen soll. Es wirkt wie ein Computerspiel. Einsatzbereit in der realen Welt dürfte das System frühestens 2040 sein.
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