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Deutschland geht in Sachen Atomenergie seinen eigenen Weg. Der Funktionär einer bedeutenden Organisation warnt jedoch vor den Folgen dieser Entscheidung.
Genf/München – Deutschland hat der Atomenergie abgeschworen, in anderen Industrienationen sieht das mittlerweile jedoch anders aus: In Ländern wie zum Beispiel Frankreich, Schweden oder den USA spielt die Kernkraft bei der Klimawende eine bedeutende Rolle.
Kurz vor Beginn der anstehenden 28. Weltklimakonferenz in Dubai (ab Donnerstag, 30. November) hat der Chef der Weltwetterorganisation (WMO) Deutschland empfohlen, seinen Atomausstieg zu überdenken und rückgängig zu machen. „Atomkraft ist eine gute Technologie, um klimafreundliche Energie zu produzieren“, erklärte Petteri Taalas der Deutschen Presse-Agentur.
Atomkraft in Deutschland: Energiewende ohne Kernkraft nicht möglich?
Der finnische Funktionär hält es für einen äußerst schwierigen Spagat, den Kohleausstieg ohne Atomkraft zu bewerkstelligen und trotzdem genügend bezahlbare Energie herzustellen. „Ich würde die Bundesregierung aufrufen, den Atomausstieg zu überdenken“, appelliert der Generalsekretär der WMO. Der unter dem Dach der WMO stehende Weltklimarat (IPCC) analysiert den Zustand des Klimas wissenschaftlich und macht sich dafür stark, alle nicht fossilen Energiequellen zu nutzen, um die globalen Treibhausgase zu senken. Atomstrom sei bei der Energiewende ein bedeutendes Mittel, erklärt der 62-jährige Finne.
Auch auf europäischer Ebene fand unlängst ein Umdenken statt: Die EU-Kommission hat Strom aus Atomkraftwerken in ihrer Taxonomie-Verordnung mittlerweile als grüne Energiequelle aufgenommen. Taalas hofft, dass bei der COP28 im Wüstenstaat die Länder noch schärfere Klimaschutzmaßnahmen verkünden, um das Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, erreicht werden kann.
Das Kernkraftwerk Isar 2. © Armin Weigel/dpa
Der Bundesrepublik drohen seiner Ansicht nach aufgrund des steigenden Stromverbrauchs Probleme – und die sind teilweise schon jetzt Realität: „Wenn Deutschland beim derzeitigen Energieverbrauch bleiben oder noch mehr produzieren will, etwa für E-Mobilität, wird es schwierig, das alles weitgehend mit Sonne und Wind zu schaffen“, führt Petteri Taalas aus.
Atomausstieg im Jahr 2023 macht Deutschland abhängig von Stromimporten
Ihm zufolge bedrohe diese Strategie die Zukunft des hiesigen Wirtschaftsstandorts: Die Wahl sei, entweder Strom dazukaufen, etwa aus Frankreich, wo der Strom teils aus Atomkraftwerken stamme, oder eben Folgen für die Wirtschaft in Kauf zu nehmen. „Wenn die Energiekosten im Vergleich zu anderen Ländern sehr hoch sind, könnte es für manchen Industriezweig nicht attraktiv sein, zu bleiben.“
Im April 2023 wurden hierzulande die letzten drei Atommeiler (Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland) abgeschaltet – und damit der Atomausstieg vollzogen. Die Entscheidung wurde bereits lange zuvor in die Wege geleitet und hatte Motive im Hinblick auf die Endlagerung von radioaktiven Abfällen. Das Bundesamt für Sicherheit der nuklearen Entsorgung erklärt: „Die Entscheidung des Deutschen Bundestags vom 30. Juni 2011 für den Ausstieg aus der Atomenergie ebnete den Weg für ein geordnetes Ende der Hochrisikotechnologie in Deutschland.“
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Experten warnen schon länger, dass sich Deutschland mit seinem Verzicht auf Atomkraft von Stromimporten abhängig macht. Zahlen vom Herbst 2023 belegen die These. (PF mit Material der dpa)