Traditionsunternehmen Lürssen: In Bremen baut eine verschwiegene Werft Superjachten für Oligarchen
Das Familienunternehmen Lürssen aus Bremen baut die besten und schönsten Jachten der Welt. Auch für russische Oligarchen. Reden möchte darüber derzeit niemand. Klar ist aber: In einer extrem schwierigen Branche hatten die Deutschen über Jahrzehnte ihre Nische gefunden. Wie geht es jetzt weiter?
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Sie heißen Azzam, Crescent oder Dilbar und sind meist nur Experten bekannt oder Schülern, die etwa noch mit Höher-schneller-weiter-Quartettkarten in den Schulhofpausen spielen. Und natürlich Multimilliardären. Andere können sich Superjachten mit mehr als 100 Metern Länge, Pool, manchmal Mini-U-Boot und angeblich Raketenabwehr meist nicht leisten. Die Klientel ist exklusiv: Scheichs, US-Tech-Größen und russische Oligarchen. Vor allem Letztere haben der Branche eine Aufmerksamkeit gebracht, die sich niemand gewünscht hat. Lürssen zum Beispiel.
Basketballfeld? Möglich!
Das Bremer Familienunternehmen hat fünf der zehn größten Superjachten der Welt gebaut, ist rund um den Globus eine der ersten Adressen für alle, denen es nicht exklusiv und perfekt genug sein kann: 520 Quadratmeter frei tragender Raum mittschiffs? Kein Problem. Zwei Hubschrauberhangars? Machen wir. Große Fensterfronten, die auch Atlantikstürmen standhalten? Möglich. 25-Meter-Pool, der bei Seegang nicht überschwappt? Geht. Basketballfeld? Bitte. Diskretion? Absolut.
Da ist es wenig zuträglich, wenn jetzt reihenweise Superjachten beschlagnahmt werden, weil die russischen Eigner eine zu große Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin haben, der die Ukraine angreifen ließ. Eisen- und Medienmanager Alischer Usmanow, Rosneft-Chef Igor Sechin, Stahlbaron Alexei Mordaschow besitzen Jachten von Lürssen und unterliegen den harten Sanktionen von EU, USA und anderen Staaten. Nun könnte das gute Werbung sein: Seht, was für großartige Jachten aus Deutschland kommen. Aber das ist in der Branche und unter den 2668 Milliardären, den potenziellen Kunden also, hinreichend bekannt. Und es könnte auch eher sein, dass sich viele fragen, warum die Bremer so viele Geschäfte mit der – jetzt – dunklen Seite der Macht eingegangen sind. Zudem stellt Lürssen nicht nur Top-Luxusjachten her, sondern auch noch Kriegsgerät: Marineschiffe, eine weitere Branche, die vor allem auf Diskretion bedacht ist. Was also sagt das Familienunternehmen aus Bremen?
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Es schweigt. Anfragen werden geprüft und dann höflich abgelehnt. In groben Zügen bekannt ist die Geschichte: Friedrich Lürßen gründet das Unternehmen – welches anders als die Gründerfamilie mit Doppel-S geschrieben wird – 1875 in Bremen, die Firma baut zunächst vor allem Rennruderboote. Gottlieb Daimler bringt dann einen entscheidenden Auftrag: Er bestellt ein Schiff, das mit einem seiner Motoren angetrieben wird. 1885 baut Lürßen das erste Motorboot der Welt, angetrieben von einem 1,5-PS-Daimler-Motor. Die Rems ist sechs Meter lang und weit entfernt von dem, was Lürssen heute so zu Wasser lässt.
Das Unternehmen beliefert die kaiserliche Marine, entwickelt Rennmotorjachten, übersteht Hyperinflation, zwei Weltkriege, den Nationalsozialismus. 1971 ist es dann so weit: Mit der Carinthia VI, 71 Meter lang, liefert Lürssen die erste eigene Luxusjacht. Das Modell für viele weitere. Ende der Achtzigerjahre beginnt der Aufstieg an die Weltspitze – durch Zukäufe und sehr geschickte strategische Entscheidungen. Lürssen kauft die Kröger Werft in Rendsburg. Im Laufe der Jahre kommen Teile der insolventen Bremer Vulkan, die Neue Jadewerft in Wilhelmshaven, die Norderwerft in Hamburg, die Peenewerft in Wolgast hinzu.
Das Unternehmen übergibt 2013 die mit 180,61 Metern unangefochten längste Jacht an Scheich Chalifa bin Zayid Al Nahyan, Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate, Preis angeblich etwa 522 Millionen Euro. Der Antrieb hat schlanke 94.000 PS. Ein weiter Weg vom ersten Motorboot. Drei Jahre später liefert Lürssen die eierschalenfarbene Dilbar aus, Platz fünf der größten Jachten, sie wird Usmanow zugerechnet, gehört offiziell seiner Schwester und liegt bei Blohm+Voss zum Auffrischen. Derzeit ruhen die Arbeiten wegen der Sanktionen.
Global One ist kein Einzelfall – der deutsche Schiffbau schrumpft
Hinter dem Erfolg stehen vor allem Peter und Friedrich Lürßen. Die beiden Vettern leiten das Familienunternehmen in vierter Generation. Friedrich, heute 72, ist seit 1977 dabei, Peter (62) stieg 1987 ein. Damals kamen noch die meisten Aufträge von der Marine. Die beiden bauten das Unternehmen um, setzten auf 1A-Luxusjachten und trennten sich vom Frachtergeschäft, das wie vieles andere über die Jahre nach Asien abwanderte.
Von der einst prosperierenden deutschen Schiffbauindustrie ist tatsächlich wenig geblieben. Containerschiffe werden vor allem in Asien auf Kiel gelegt, in China, Südkorea, Japan. In Deutschland bauen noch 50 bis 60 Werften mit mehr als 50 Mitarbeitern Seeschiffe. Gesamtumsatz: gut fünf Milliarden Euro. In der Branche arbeiten noch 20.000 Beschäftigte, Tendenz fallend. Zuletzt geisterte das Trauerspiel um die halbfertig gebauten und schon schrottreifen Kreuzfahrtschiffe Global One durch die Schlagzeilen. Die größten Anbieter sind die Lürssen-Gruppe in Bremen, die Meyer-Gruppe in Papenburg und ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) in Kiel. Und die Werften, die den harten Wettbewerb und alle Krisen überlebt haben, haben sich spezialisiert, die lukrative Nische gefunden: Lürssen setzt auf Superjachten und Marine, die Meyer-Werft auf Kreuzfahrtschiffe, TKMS auf große Marineschiffe und U-Boote. Und mit Abeking und Rasmussen sowie Nobiskrug bauen zwei weitere deutsche Werften Jachten für die Superreichen.
Luxusschiffe, schwimmende Städte für Kreuzfahrten, Marine – hier ist jede Menge Wissen gefragt. Die Technik sei deutlich komplizierter als bei Containerschiffen, die letztlich nur eine Hülle um viel Inhalt seien, heißt es beim Werftenverband VSM. Die Interessenten seien speziell, die Wünsche umfangreich und kompliziert, bei Luxusjachten noch mehr als bei Kriegsschiffen. Und hier ist Lürssen ganz weit vorn.
Allein in diesem Jahr liefert das Unternehmen verschiedenen Fachmagazinen zufolge vier der zehn längsten Jachten im Bau aus, Project Blue zum Beispiel soll mit 160 Metern Länge die A+ (147 Meter, ebenfalls von Lürssen) von 2012 ersetzen. Sie gehört einem Scheich aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Projekt Orora mit 146 Metern geht offenbar ebenfalls in die Emirate, die Luminance (145 Meter) wurde auch aus Arabien bestellt. Project 1601 mit 90 Metern ist da fast übersichtlich. Bestellt hat es wohl der Amerikaner Charles Simonyi, reich geworden durch die Arbeit bei Microsoft. Ihm verdankt die Welt etwa Excel und Word. Er besitzt bereits eine Lürssen-Jacht, möchte sich aber offenbar verändern.
Fast ein Drittel aller Superjachten gehört russischen Eignern
Es scheint, als habe Lürssen gerade Glück mit den aktuellen Projekten und wenig mit sanktionierten Oligarchen zu tun, die gleichwohl einen großen Teil der Kunden ausmachen. Rund hundert Jachten mit mehr als 90 Metern Länge schippern über die Weltmeere, etwa 30 lassen sich russischen Eignern zuordnen, meist ist das Eigentum über verschachtelte Firmenkonstruktionen in Steuerparadiesen verschleiert. Etwa ein Drittel der Superjachten gehören Eignern aus dem arabischen Raum, ein gutes weiteres Drittel Amerikanern, etwa dem Musikproduzenten David Geffen oder dem ehemaligen Oracle-Chef Larry Ellison. Seine Rising Sun (123 Meter) ist – klar – von Lürssen.
Offiziell ist dazu natürlich nichts zu hören aus Bremen. Etwas mehr geöffnet hat sich das Unternehmen 2015 zum 140. Geburtstag. Ein paar Details über goldene Wasserhähne, die nicht teuer, aber gut zu reinigen sind, wurden bekannt, und dass die große Herausforderung ist, die Vibrationen und Geräusche eines Schiffes zu dämpfen. Ruhe ist den Kunden wichtig. Damals kam nur ein Viertel der Wertschöpfung von Lürssen selbst, die Konstruktion und Elektronik etwa. Alles andere übernahmen Subunternehmen. Peter Lürßen sagte: „Wir legen Wert auf absolute Perfektion.“ Und verriet, dass er für Kunden jederzeit erreichbar ist, auch nachts. Einzelheiten zu den Käufern? Auch damals schon Fehlanzeige.
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Die Lürßens haben sich das Geschäft aufgeteilt: Peter Lürßen kümmert sich um die Jachten, sein Vetter um die Marine. Friedrich Lürßen hat politischen Einfluss und Kontakte – er war Präsident des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Und bei der Marine gibt es einige Baustellen. Seit Jahren versucht Lürssen das Marinegeschäft von ThyssenKrupp zu kaufen, dort sind die meisten Ingenieure für Kriegsschiffe beschäftigt. Doch bisher zierte sich der Konzern, vielleicht auch, weil Lürssen nur Interesse an den Schiffen, nicht aber an den U-Booten nachgesagt wird. Bei Letzteren sei das finanzielle Risiko zu hoch.
2020 dann gelang den Bremern ein Coup: Mit dem Eigner von German Naval Yards Kiel (GNY), dem französisch-libanesischen Geschäftsmann Iskandar Safa, wurde ausgehandelt, das Marinewerftgeschäft in ein Gemeinschaftsunternehmen unter Federführung der Bremer zusammenzulegen. Seither: Funkstille. Was nicht heißt, dass das Geschäft abgesagt ist. Auch in dieser Branche dringt tendenziell eher nichts nach außen. Zumindest hätte Lürssen mit dem Geschäft TKMS als Nummer eins unter Deutschlands Werften überholt und endlich auch die Kompetenz, die richtig großen Marineschiffe zu entwickeln.
Dass sich wohl doch etwas bewegt, zeigt die Aufteilung von Lürssen in zwei Sparten im Herbst 2021. Künftig steht Lürssen für Luxusjachten, die Ausgründung NVL (Naval Vessels Lürssen) für Marine. Beide Firmen beschäftigen etwa 1500 Mitarbeiter und gehören weiterhin der Familienholding in Bremen.
Lürssen ergatterte auch zahlreiche Marineaufträge
Angaben zum Umsatz liefert Lürssen – natürlich – nicht. Er soll sich um eine Milliarde Euro bewegen. Auch über die Ertragslage schweigt sich das Unternehmen aus. Allerdings läuft es gerade. Da ist zum Beispiel der Auftrag über 1,5 Milliarden Euro für schnelle Einsatz- und Patrouillenboote. NVL baut zwei neue Tankschiffe für die deutsche Marine (870 Millionen Euro, gemeinsam mit der Meyer-Gruppe) und ist Konsortialführer beim Zwei-Milliarden-Euro-Auftrag für fünf Fregatten der sogenannten Köln-Klasse. Den Auftrag für vier Mehrzweckkampfschiffe allerdings sicherte sich ein Konsortium um die niederländische Damen-Gruppe – Lürssen ist maßgeblich beteiligt. Auftragsvolumen insgesamt: sechs Milliarden Euro. Auch die Sanierung des Schulschiffs Gorch Fock geht auf Lürssens Konto – zu einem üppigen Preis und nachdem eine andere Werft nach undurchsichtigen Geschäften scheiterte und in die Pleite rutschte.
Inzwischen ist die Familie – eine der reichsten in Bremen – auch im Immobiliengeschäft tätig. So gehören ihr historische Häuser in Wien und ein Pferdesportpark in Österreich, die sie vom Milliardär Frank Stronach (Autozulieferer Magna) gekauft haben. Und im Bremer Stadtteil Vegesack entwickeln sie ein komplett neues Stadtviertel. Alles Millionenprojekte.
Was treibt die Familie an? Die Besten sein, mit Milliardären verkehren, die Welt besser und sicherer machen? Peter Lürßen, ganz der Unternehmer, hat es in einem Interview für den Immobilienmakler Engel & Völkers auf den Punkt gebracht: „We are in it for the money, not for the glory.“ Es geht um Geld, nicht um Ruhm.
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Das Original zu diesem Beitrag “In Bremen baut eine verschwiegene Werft Superjachten für Oligarchen” stammt von WirtschaftsKurier.