Zwanzig erfolglose Jahre Krieg in Afghanistan haben die amerikanischen Steuerzahler 2,7 Billionen Dollar gekostet. Die Summe ausgeschrieben: 2.700.000.000.000 Dollar. Hinzu kommen noch die Mittel der Verbündeten im „Krieg gegen den Terror“. Deutschland war mit etwa 17 Milliarden Euro an dem längsten Krieg der US-Geschichte beteiligt. Der Einsatz dieser Mittel hat etwa 240.000 Menschen das Leben gekostet. Politisch ist Afghanistan wieder dort, wo es vor 20 Jahren war. Der US-amerikanische Haushalt wies zu Beginn des Kriegs einen Überschuss auf. Seit Beginn der Operation gibt es jedes Jahr neue Defizite. Das Problem: „Die Ausgaben für Kriege sind keine produktiven Kosten, es sind destruktive Kosten“, sagt Neta C. Crawford, Politikwissenschaftlerin an der Boston University.
Crawford ist Direktorin des Projekts „Costs of War“ an der Brown University. Das Projekt führt akribisch Buch über die Kosten der amerikanischen Kriege. Allerdings räumt Crawford ein, dass dies ein schwieriges Unterfangen sei: „Es herrscht keine Transparenz. Es gibt keine Rechenschaft, wohin das Geld gegangen ist. Die Begründung lautet: Wir wollen nicht, dass unsere Feinde wissen, was wir machen.“
Damit können aber auch die amerikanischen Steuerzahler nicht kontrollieren, was mit dem Geld geschieht. Crawford: „Wenn man nachfragt, wird man gerne aufgefordert, sich im patriotischen Geist um die amerikanische Flagge zu scharen.“ Wie grotesk die Begründung der angeblich notwendigen Geheimhaltung vor dem Feind ist, betont Catherine Lutz, Professorin für Anthropologische und Internationale Studien am Watson Institute for International and Public Affairs der Brown University sowie Co-Direktorin des Projekts: „Wir haben zahlreiche militärische Unternehmen, die Schutzgeld an die Taliban gezahlt haben, damit sie sichere Transportwege bekommen. Der Feind weiß ziemlich genau, wo unser Geld hingeht.“
In den USA selbst ist eine Kontrolle dagegen kaum möglich. Durch Hin- und Herschieben von Positionen zwischen den einzelnen Ministerien verschwinden hohe Kostenpositionen im buchhalterischen Niemandsland. Die parlamentarische Kontrolle durch die verschiedenen Ausschüsse des Kongresses laufen so ins Leere, erklärt Professor Crawford.
Catherine Lutz sieht ein grundsätzliches Problem im amerikanischen System: „Der Kongress übt sein exklusives Recht nicht aus, wonach er allein einem anderen Land den Krieg erklären kann. Wir führen präsidentielle Kriege, obwohl dies laut unserer Verfassung nicht erlaubt ist. Es ist nicht die Frage zu stellen, ob der Kaiser nackt sei, wir sollten gar keinen Kaiser haben.“
Anders als beim Vietnam-Krieg müssten sich die Amerikaner nicht mehr mit dem Tod ihrer Söhne und Töchter beschäftigen. Dies sei die Folge der Kommerzialisierung des Krieges, so Lutz. Auch die hohen Kosten belasten die Amerikaner nicht: „Wir bezahlen diese Kriege mit dem Geld der Steuerzahler der Zukunft. Alles läuft über Kredite und Schulden.“ Hinzu komme das Problem der mangelnden Kontrolle durch die Medien: „Es gab in Afghanistan viel weniger schockierende Bilder. Das hat damit zu tun, dass die Journalisten embedded sind und nur berichten, was sie sehen können.“
Neben „einem typisch amerikanischen Männlichkeitsgehabe“ gebe es einen unausgesprochenen Konsens über die Kriege, meint Lutz: Im Grund sei die ganze Gesellschaft in den „militärisch-industriellen Komplex embedded“: „Die Öffentlichkeit, das Schulsystem, ja sogar die Kirchen – ich habe eine Umfrage in einer Kirchengemeinde gemacht, dort wurde über den Krieg bewusst nicht gesprochen, weil die Gemeindevorsteher keine Kontroverse in der Gemeinde provozieren wollten.“
Volkswirtschaftlich sei die Finanzierung von Kriegen nicht sinnvoll. Crawford: „In der Bildung oder im Bausektor würden doppelt so viele Jobs entstehen.“ In der Militär-Branche sei auffallend, dass wenige Leute sehr gut bezahlt werden: „Einige Manager beziehen außergewöhnlich hohe Gehälter.“ Allerdings können sich die USA den Krieg leisten: „Die Militärausgaben machen mehr als die Hälfte der Haushaltsausgaben aus. Aber insgesamt sind das nur fünf Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts. Amerika ist reich und kann sich diese Kriege leisten.“ Doch insgesamt ist der enorme Finanzaufwand kontraproduktiv: „Je mehr Menschen umgebracht werden, desto mehr Leute schließen sich radikalen Gruppen an, vor allem, wenn es so viele Tote unter den Zivilisten gibt.“
Der Krieg sei ein Business wie andere auch geworden, sagt Catherine Lutz: „Die Zahl derer, die vom Krieg profitieren ist hoch, es ist ein sehr profitables Geschäft und daher haben viele ein Interesse daran, dass ein Krieg möglichst lange dauert.“
Warum die amerikanische Bevölkerung sich dagegen nicht auflehnt, erklärt Crawford mit der politischen Begleitmusik: „Angst ist der treibende Faktor. Offiziell spricht man nicht von Angst, sondern verwendet als Synonym den Begriff Sicherheit. Wir wollen für alle zukünftig möglichen Gefahren vorbereitet sein. Es ist wie eine Übersicherung: Man schließt gegen jedes denkbare Risiko eine Versicherung ab.“ Wegen der mangelnden Transparenz sind der Korruption Tür und Tor geöffnet – eines der zentralen Probleme beim Afghanistan-Einsatz.
Die Kosten teilen sich in verschiedene Bereiche. Den größten Teil erhält das Pentagon, dessen finanzielle Ausstattung sich in den vergangenen Jahren drastisch erhöht hat. Einen großen Teil erhält das Außenministerium, welches in Afghanistan unter anderem Geld erhielt, um den Heroin-Anbau zu zerstören. Crawford: „Es wurden Chemikalien abgeworfen, um den Anbau zu stoppen. Manche Felder wurden auch verbrannt.“
Einiges Geld ging auch nach Pakistan, unter anderem in die Aufrüstung gegen die Taliban. Wichtiger Budget-Posten sind auch die Veteranen: 500.000 Amerikanerinnen und Amerikaner müssen nach dem Afghanistan-Einsatz dauerhaft medizinisch versorgt werden. Die Zahl sei deutlich gestiegen, weil die medizinischen Möglichkeiten der Erstversorgung viel besser geworden seien. Crawford: „Früher wären viele Veteranen an ihren Verletzungen gestorben.“
Auch die Banken profitieren: 500 Milliarden Dollar entfallen allein auf die Zinszahlungen für die Kredite, die aufgenommen werden mussten. Eine große Position ist schließlich der Erhalt der US-Militäreinrichtungen im In- und Ausland. Etwa 800 amerikanische Militärstützpunkte im Ausland müssen finanziert werden. Kosten für Flugbenzin, Personalkosten, Instandhaltung und Infrastruktur wie IT, Strom und Kommunikationsmittel verschlingen enorme Summen.
In den vergangenen Jahren hat sich die US-Regierung auf eine Art Dauer-Kriegszustand eingestellt. „Die Berechnungsmethoden wurden geändert. Was früher Kosten für Kriege waren, wird heute als laufende und damit wiederkehrende Kosten bei den Militäreinrichtungen verbucht“, so Crawford.