Deutsche Post: „Eine Anhebung des Portos belastet das Monatsbudget der Menschen nicht“

Deutsche Post: „Eine Anhebung des Portos belastet das Monatsbudget der Menschen nicht“

Nikola Hagleitner ist früh ihren eigenen Weg gegangen. Geboren in Linz in Österreich, zog sie mit 17 Jahren von zu Hause aus und ging zum Jurastudium nach Innsbruck. „Ich musste schauen, woher das Geld kommt. Also habe ich im Hofgarten Café als Glaswäscherin angefangen“, erzählt sie in einem Konferenzraum im Bonner Posttower. In den vier Jahren in dem Job arbeitete sie sich zur Geschäftsführerin hoch – als Studentin.

„Im Nachhinein bin ich stolz, dass ich am Ende den Laden geschmissen habe“, sagt sie. Vor allem aber habe sie Menschenkenntnis erworben. Später ging sie zu DHL Deutsche Post, war für den Expressversand und das Frachtgeschäft im Ausland unterwegs. Seit gut einem Jahr verantwortet die 49-Jährige im Vorstand das Brief- und Paketgeschäft.

WELT AM SONNTAG: Frau Hagleitner, es gibt in der Politik spannendere Vorhaben als das Postgesetz. Doch von der Neuregelung wären wir alle betroffen. Im Gespräch ist, in Zukunft an weniger Tagen Post zuzustellen und Briefe langsamer zu befördern. Wie wollen Sie das durchsetzen?

Nikola Hagleitner: Wir haben kein Interesse daran, an der Sechs-Tage-Zustellung etwas zu ändern. Was die Brieflaufzeiten betrifft, sehen wir Änderungsbedarf. Bei den aktuell sinkenden Briefmengen ist es für uns entscheidend, wie viele Briefe wir an jeden einzelnen Adressaten abgeben. Wir müssen unser Zustellnetz effizienter nutzen. Deshalb wollen wir differenzierte Laufzeiten auch bei den Privatkunden durchsetzen. Für Geschäftskunden gibt es das bei uns schon. In Österreich, Dänemark und seit Kurzem auch in Frankreich ist das bereits üblich.

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WELT AM SONNTAG: Wie lange sollen Briefe dann unterwegs sein und zu welchem Porto?

Hagleitner: Es könnte einen Prio-Brief geben, der am Tag nach dem Einwurf beim Adressaten ist, und einen Standardbrief, der nach drei Tagen ankommt. Die Preise müsste die Bundesnetzagentur genehmigen, das liegt nicht in unserer Hand. Es geht den Postkunden um Zuverlässigkeit und nicht um Geschwindigkeit.

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Entscheidung der Netzagentur

WELT AM SONNTAG: Wie hoch soll das Porto von heute 85 Cent denn steigen, auf das Doppelte?

Hagleitner: Der Prio-Brief müsste höher liegen als das aktuelle Porto, aber wir reden nicht über eine Verdoppelung des Preises. Auch bei dem zukünftigen Standardbrief müsste die Bundesnetzagentur das Preisverfahren nach oben hin neu festsetzen. Wir können die jüngste Entscheidung der Behörde nicht nachvollziehen, mit der sie unseren Antrag auf Erhöhung der heutigen 85 Cent abgelehnt hat. Wir haben nachgewiesen deutlich höhere Kosten als von der Bundesnetzagentur angenommen. Der durchschnittliche Haushalt gibt im Monat etwa 2,50 Euro für Porto aus, eine Anhebung von 85 Cent auf beispielsweise 95 Cent für den Brief belastet das Monatsbudget der Menschen nicht besonders.

WELT AM SONNTAG: Wozu braucht die Post immer mehr Geld?

Hagleitner: Vielleicht steht der Briefversand vor der größten Herausforderung und Weichenstellung in seiner langen Geschichte. Wir wollen die Briefzustellung in Deutschland aufrechterhalten und den gesetzlichen Postuniversaldienst weiterhin erfüllen. Doch dafür brauchen wir eine neue Entgeltregulierung, die uns eine Gewinnmarge ermöglicht, aus der wir jedes Jahr rund eine Milliarde Euro in die Zustellung investieren können. Diese Marge muss im oberen einstelligen Prozentbereich liegen. Der Versand von Briefen und Paketen trägt derzeit kein Geld zur Dividende des DHL-Konzerns bei. Aber wir müssen unsere Investitionen aus dem Geschäft heraus verdienen können. Und das war zum Beispiel im vergangenen Geschäftsjahr nicht der Fall.

WELT AM SONNTAG: Wofür wollen Sie die Investitionen konkret ausgeben?

Hagleitner: Die Investitionen betreffen die Transformation von der Briefzustellung hin zu einer gemeinsamen Zustellung mit den Paketen sowie das große Thema der Nachhaltigkeit. Im Jahr 2010 kam auf 28 Briefe in der Zustellung eine Paketauslieferung, heute ist dieses Verhältnis sieben zu eins und im Jahr 2030 rechnen wir mit zwei zu eins. Das bedeutet, dass der Briefversand abnehmen und zum Glück der Paketversand weiter zunehmen wird.

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Meinung Nur noch „DHL“

WELT AM SONNTAG: Die Post kündigt seit Jahren sinkende Briefmengen an, am Ende ist es dann ein Rückgang um zwei bis drei Prozent jährlich. In anderen Ländern Europas ist der Briefschwund allerdings viel größer.

Hagleitner: Das Tempo beschleunigt sich gerade auch bei uns extrem. In diesem Jahr erwarten wir einen Rückgang der Briefmengen um sechs Prozent. Und der Trend wird so weitergehen. Die meisten dieser Briefe kehren nicht zurück. Das sind zum Beispiel Rechnungen von Handwerkern, Behördenschreiben oder Anträge, die allesamt digitalisiert werden. Das ist ein Strukturumbruch, auf den wir nun viel schneller als geplant reagieren müssen. Wir ziehen Projekte um mehrere Jahre vor.

WELT AM SONNTAG: Was sind das für Projekte?

Hagleitner: Wir erweitern die Verbundzustellung, das ist das gemeinsame Zustellen von Briefen und Paketen durch einen Postboten. Heute beträgt dieser Anteil 63 Prozent, bis 2025 sollen es schon 70 Prozent werden. Ab 2030 wird es die reine Briefzustellung zu Fuß oder mit dem Fahrrad viel seltener geben als heute. Dafür müssen wir mehrere Milliarden Euro etwa in Immobilien oder Elektrofahrzeuge investieren. Die Fahrzeuge müssen wegen der höheren Anzahl von Paketen größer sein als unsere heutigen. Wir können froh darüber sein, dass anders als beim Brief die Paketmenge auch dieses Jahr wachsen wird.

WELT AM SONNTAG: Im Paketmarkt hat die Deutsche Post einen Marktanteil von 40 Prozent, den Briefmarkt beherrscht das Unternehmen zu 85 Prozent. Sind Sie gegen den Wettbewerb?

Hagleitner: Im Briefbereich haben wir überregional keinen Wettbewerber, regional sieht das anders aus, vor allem in den lukrativen Ballungsräumen. Das Primat des Wettbewerbs beim Brief, das das Bundeswirtschaftsministerium im Eckpunktepapier zur Novelle des Postgesetzes vorgegeben hat, sehen wir nicht. Es ist doch die Frage, ob es in einem schrumpfenden Briefmarkt sinnvoll ist, einen Konkurrenzkampf auf dem Rücken der Beschäftigten und ihrer Arbeitsbedingungen auszutragen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass in der Politik nicht überall bewusst ist, was sich in den vergangenen 20 Jahren in der Briefzustellung geändert hat.

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WELT AM SONNTAG: Bei der Transformation setzen Sie doch sicher auch künstliche Intelligenz (KI) ein. Wie wird KI die Arbeit bei der Post in der Brief- und Paketzustellung verändern?

Hagleitner: Künstliche Intelligenz verbessert unsere automatisierten Prozesse im Versand bis hin zum Adressaten. Zum Beispiel helfen uns Fotos der Sendungen, schadhafte Pakete zu erkennen und in den Maschinen auszusortieren. Im Kundenservice arbeiten wir mit Chatbots, ein Drittel der Anfragen werden darüber beantwortet und gelöst. KI übernimmt dort die Arbeit von Beschäftigten, die ohnehin schwer zu finden sind. Für unsere Qualitätsmanager reduziert KI die Komplexität, sich um die besonderen Problemfälle kümmern zu müssen. Einen Zusteller für Briefe und Pakete wird KI jedoch in keinem Fall ersetzen.

WELT AM SONNTAG: Wenn KI so hilfreich ist, warum steigt die Zahl der Beschwerden dennoch rasant an, wie die Bundesnetzagentur ermittelt hat?

Hagleitner: Wir wissen nicht, wie die Zahlen der Bundesnetzagentur zustande kommen und bekommen nur einen geringen Teil dieser Beschwerden zu sehen. Und natürlich bekommt die Behörde durch die ständige Veröffentlichung dieser Statistik auch eine neue Popularität. Die Daten betreffen die gesamte Branche und nicht allein die Deutsche Post. Wir selbst sehen in der Zustellung deutliche Verbesserungen zwischen 2022 und 2023. In diesem Jahr sind unsere Laufzeiten bei den Briefen extrem stabil. Unsere Analysen gehen in eine andere Richtung als die der Netzagentur.

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