Kommt jetzt der Wendepunkt in Deutschlands Wirtschaftsdebakel?

Kommt jetzt der Wendepunkt in Deutschlands Wirtschaftsdebakel?

Gastbeitrag von Marianne Janik

Kommt jetzt der Wendepunkt in Deutschlands Wirtschaftsdebakel?


Heute, 05.11.2023 | 19:24

Wie kann Deutschland aus der Multikrise wachsen? So vielfältig wie unsere Probleme müssen auch die Lösungen sein. Besonders künstliche Intelligenz (KI) könnte uns helfen, eine neue Innovations- und Wachstumsdynamik zu entfachen.

Seit sich das Coronavirus 2020 um die Welt ausbreitete, sind wir permanent im Krisenmodus. Ob Pandemie, Lieferkettenprobleme, der Überfall auf die Ukraine samt Energieknappheit und Inflation, ein Krieg im Nahen Osten oder Arbeitskräftemangel: Ein Problem reiht sich an das nächste.

Für 2023 ist in Deutschland mit einer leichten Rezession zu rechnen. Unabhängig davon, wie dramatisch man diese nun bewerten will – so richtig dynamische Wachstumsraten haben wir in Deutschland schon eine Weile nicht mehr gesehen.

Es wird kaum möglich sein, ein Wundermittel zu finden, das alle Probleme auf einmal löst. Vielfältige Probleme brauchen vielfältige Lösungen. Eine Gemeinsamkeit allerdings gibt es: Künstliche Intelligenz (KI) kann bei einer Reihe von Herausforderungen ein substanzieller Teil der Lösung sein.

Sie bietet die Möglichkeit, nicht nur aus den aktuellen Krisen herauszuwachsen, sondern auch eine neue Innovations- und Wachstumsdynamik zu entfachen. Das zeigen Beispiele aus Branchen, die wie wenige andere für das deutsche Wirtschaftsmodell stehen: Maschinenbau, Automobilbau und Chemie.

Mit KI in die Zukunft: Wie Traditionsbranchen profitieren

  • Kommunizierende Maschinen: Siemens gestaltet die Fabrik der Zukunft mit KI

Nur wenige Unternehmen haben sich so oft neu erfunden wie Siemens. 1847 als Hersteller von Telegrafie-Apparaten gegründet, hat die Industrie-Ikone schon erfolgreich Kraftwerksturbinen, medizinische Geräte, Züge, Leuchten, Computerchips, Handys, Haushaltsgeräte und einiges mehr hergestellt – aus vielen Entwicklungen sind längst eigenständige Unternehmen geworden.

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Aktuell liegt der Schwerpunkt auf Technologie zur Industrieautomatisierung. Mit KI schafft Siemens jetzt die Grundlage, die nächsten Kapitel der Erfolgsgeschichte zu schreiben. Gemeinsam haben Siemens und Microsoft den Siemens Industrial Copilot entwickelt, ein „ChatGPT für Ingenieure“.

Damit können Techniker in natürlicher Sprache mit Maschinen chatten, Code für den Betrieb der Maschinen automatisiert programmieren, bei Ausfällen den Fehler suchen und beheben. Die direkte Interaktion zwischen Menschen und Maschinen per natürlicher Sprache wird die nächste Ära der industriellen Produktion prägen – und Siemens zählt zu den führenden Gestaltern dieses Wandels.

  • Sprechen mit dem Auto: Mercedes bringt KI ins Fahrzeug

Vor mehr als 100 Jahren haben Gottlieb Daimler und Carl Benz das Automobil und damit die ganze Branche erfunden. Heute zweifeln nicht wenige an der Zukunftsfähigkeit der deutschen Hersteller.

Ich sehe das klar optimistischer! Ja, der Automobilindustrie stehen Veränderungen bevor, die größer sind als alles, was wir in den vergangenen 40 Jahren gesehen haben, durch die Digitalisierung noch mehr als durch den Antriebswandel zur Elektromobilität. Plattformen und vernetzte Mobilitätskonzepte werden Produkte, Services und Geschäftsmodelle umkrempeln.

Das heißt zugleich aber auch, dass das Rennen mitnichten entschieden ist. Es fängt jetzt erst richtig an! Und deutsche Hersteller sind sehr gut positioniert, wie zum Beispiel Mercedes zeigt. Bei der Integration von Sprachmodellen ins Auto ist Mercedes ganz vorne dabei. So können Fahrzeuge in Zukunft mit den Menschen innen sprechen und Hinweise zur Route oder dem Zielort geben.

  • Neue Super-Materialien: BASF unterstützt seine Forschungsteams mit KI

In keiner anderen Disziplin hat Deutschland so viele Nobelpreise eingefahren wie in der Chemie. Als energieintensive Branche hat sie zuletzt unter der Inflation besonders gelitten. Umso mehr kommt es gerade hier auf Innovationen an. Mit BASF hat gerade ein Vorzeige-Chemiekonzerne seine Innovationspower dokumentiert: Basierend auf ChatGPT von OpenAI hat BASF in Microsoft Azure einen eigenen Unternehmens-Chatbot namens chatBASF erstellt.

Dieser wird allen 110.000 Beschäftigten weltweit zur Verfügung stehen und soll ihnen blitzschnell assistieren, wenn sie Übersetzungen benötigen oder Informationen recherchieren. Damit, so BASF in der Ankündigung des Chatbots, die Beschäftigten von Aufgaben befreit werden und sich auf das konzentrieren können, was BASF ausmacht: „creating chemistry for a sustainable future“!

In naturwissenschaftlich geprägten Branchen wie Chemie oder auch Pharma könnte KI Analysen zufolge zu einer regelrechten Innovationsexplosion beitragen – etwa 30 Prozent der neuen Materialien und Medikamente dürfte schon in wenigen Jahren unter Beteiligung von KI entwickelt werden.

Große Chance: grüner Wachstumsschub durch KI möglich

Um es noch einmal zu betonen: Es gibt kein Allheilmittel, kein Wunderwerkzeug, das allein alle Probleme löst. Doch es zeichnet sich ab, dass Technologie in nahezu allen Bereichen ein Teil der Lösung sein wird und muss. Für KI gilt das ganz besonders.

Zu den Problemen, die Unternehmen am meisten zusetzen, zählen der steigende Kostendruck, vor allem durch den Anstieg der Energiepreise und Lieferkettenprobleme, der Arbeitskräftemangel, der sich durch den demografischen Wandel noch erheblich verstärken wird, Regulierung und Bürokratie, sowie die ökologische Transformation der Wirtschaft als Jahrhundertaufgabe.

In all diesen Bereichen wird nicht nur daran gearbeitet, Verbesserungen mit Technologie zu erzielen, sie sind auch bereits in der Erprobung oder sogar schon im regelmäßigen Einsatz. Im weltweiten Vergleich steht unser Standort nicht so schlecht da: Der Global Innovation Index Report sieht die Innovations-Hubs der Zukunft vor allem in den USA, in Europa und in China.

In Deutschland identifiziert der Report zehn Hubs, angeführt von München und Köln, und sieht Deutschland im Ländervergleich auf Platz 8. McKinsey hält durch KI ein jährliches Plus beim Wirtschaftswachstum in Deutschland von 0,6 Prozent für möglich.

Über die Gastautorin

Marianne Janik ist eine französische Juristin. Zwischen Juli 2015 und 2020 war sie als Country Manager für die Leitung von Microsoft Schweiz zuständig. Seit dem 1. November 2020 ist sie die Geschäftsführerin von Microsoft Deutschland.

Schneller in die Zukunft: Von KI-Partnerschaften gemeinsam profitieren

Gerade die deutsche Industrie kann von der KI-Revolution profitieren. Viele Unternehmen sind hochspezialisiert und haben enorme Branchenexpertise aufgebaut. Nicht nur in den traditionell starken Branchen wie Maschinenbau, Automobilbau oder Chemie, die oben als Beispiele genannt sind, sondern auch in vielen weiteren.

Die Potenziale reichen bis weit in den Mittelstand mit seinen vielen „Hidden Champions“. Unser CEO Satya Nadella hat gerade erst bei seinem Deutschlandbesuch berichtet, dass er bei jedem Zahnarztbesuch in den USA von deutscher Dentaltechnik umgeben ist – und das ist nur eine von vielen Branchen, in der deutsche Mittelständler Weltspitze sind.

Auf dem Weg zum digitalen Weltmarktführer

KI wird dabei helfen, führende Unternehmen zu digitalen Weltmarktführern zu machen. Denn die Magie entsteht aus der Kombination von Technologie- und Branchenkompetenz. Deshalb wird es in Zukunft auch nicht die eine KI für alle geben, sondern spezifische KI-Lösungen, die für spezielle Anforderungen in unterschiedlichen Branchen trainiert sind.

In Partnerschaften geht das am besten: Mit gebündelter Branchen- und Technologiekompetenz wird es möglich sein, die Technologie innovativ, verantwortungsvoll, schnell und erfolgreich zu nutzen.

Durch die Zusammenarbeit von verschiedenen Akteuren mit unterschiedlichen Stärken und Kompetenzen entstehen neue digitale Ökosysteme, die über die Grenzen einzelner Unternehmen oder Branchen hinausgehen und ein Schlüssel für nachhaltiges Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit werden.

Kurz gesagt: Gemeinsam ist der Weg zum digitalen Weltmarktführer halb so schwer!

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