FDP-Chef Christian Lindner sah müde aus, als er Ende März nach 30 Stunden Verhandlungsmarathon mit den Koalitionspartnern von SPD und Grünen im Reichstag die Ergebnisse des Koalitionsausschusses präsentierte. Müde und sehr zufrieden.
Denn die Liberalen hatten nicht nur die beschleunigten Verfahren für 144 Autobahnprojekte durchgesetzt, gegen die sich die Grünen mit aller Macht wehrten. Sondern auch, dass die Bundesregierung künftig auf E-Fuels setzt, also Kraftstoffe, die mittels elektrischen Stroms aus Wasser und Kohlenstoffdioxid hergestellt werden. „Dieser Punkt fand sich für uns überraschend im Abschlusspapier wieder. Damit hatten wir nicht gerechnet“, hieß es bei den Liberalen anschließend.
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Es wurde so lange und heftig verhandelt in der Ampel, dass irgendwann im Eifer des Gefechts, vermutlich für ein Einlenken der FDP an anderer Stelle, das Plädoyer für die synthetischen Kraftstoffe unter dem Punkt „Klimaschutz im Verkehr“ aufgenommen wurde. Der liest sich nun so, als würde Deutschland zum E-Fuel-Land.
Fast eine von 16 Seiten des vom Koalitionsausschuss beschlossenen „Modernisierungspakets“ ist den strombasierten Kraftstoffen gewidmet. Die Zulassung der E-Fuels und die Neuzulassungen entsprechender Fahrzeuge ist geregelt, einen „E-Fuel-Dialog“ und eine „Roadmap“ für den Hochlauf soll es geben. Für die Grünen und die meisten Sozialdemokraten liest sich das wie eine Horrorliste. Sie lehnen die E-Fuels ab. Genau wie die meisten Klimaschutz- und Umweltverbände.
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Die fürchten, dass die synthetischen Kraftstoffe den Verbrennungsmotoren, deren vollständiges Aus in der EU für 2035 beschlossen war, dauerhaft das Überleben sichern. Dabei setzen die Grünen und die Klimaschutzlobby – wie beim Heizen – auch bei Autos auf eine einzige Technologie: das batterieelektrische Fahrzeug.
Quelle: Infografik WELT
Alternativen sollten keine Chance bekommen, auch keine Verbrenner, die mit E-Fuels im Betrieb CO₂-frei fahren. Aber auf Betreiben der von der FDP gedrängten Bundesregierung lässt die EU nun doch über 2035 hinaus Verbrenner zu, wenn die den umstrittenen Sprit tanken. Und Deutschland hat zusätzlich dazu eine E-Fuel-Agenda.
Diesmal hofft die SPD, dass es der Markt regelt
Die Grünen nehmen es zähneknirschend hin, sie hatten in den Verhandlungen im Koalitionsausschuss immerhin das Aus von Öl- und Gasheizungen erreicht und den Sieg der Wärmepumpe.
Auch die Sozialdemokraten ärgern sich, geben sich aber offiziell gelassen: Wird sowieso keiner kaufen, heißt es in ihren Reihen über die synthetischen Kraftstoffe. Die SPD hofft diesmal darauf, dass der Markt das regelt – und den teuren Strom-Sprit aus dem Rennen schießt. „Als Energiepolitiker glaube ich nicht, dass E-Fuels eine große Zukunft im Pkw-Bereich haben. Dafür sind sie viel zu ineffizient und teuer“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, WELT. „Sie werden deshalb nur dort zum Einsatz kommen, wo es derzeit nicht anders geht, wie etwa im Schiffs- und Flugverkehr.“
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Die Beschränkung auf bestimmte Verkehrsmittel ist genau das, was die Liberalen nicht wollen, sie zielen mit E-Fuels gerade auf die Pkw: „In Städten, wo Menschen eher kurze Strecken zurücklegen, sind Elektroautos von großer Bedeutung. Pendler in ländlichen Regionen hingegen werden weiter auf den Verbrenner setzen“, sagt der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr auf Anfrage. „Deswegen ist es wichtig, dass sich die Koalition darauf verständigt hat, technologieoffen zu bleiben. Welche Antriebsart sich am Ende durchsetzt und ob es vielleicht sogar mehrere sind, das kann heute keiner sagen.“ Ein weiterer Konflikt in der Ampel-Koalition ist trotz Einigung im Koalitionsausschuss programmiert.
E-Fuels haben unbestritten Nachteile. Der Gesamtwirkungsgrad eines damit angetriebenen Autos beträgt 15 bis 20 Prozent. Bei Fahrzeugen mit E-Motor sind es 60 bis 70 Prozent. Zur Herstellung von E-Fuels muss energieaufwändig Wasserstoff gewonnen werden, der mit CO₂ zu Stromtreibstoff wird. Da mehrere Umwandlungsprozesse nötig sind, verpufft viel Energie.
Quelle: Infografik WELT
Und E-Fuels sind in der Herstellung teuer. Auf etwa fünf Euro pro Liter schätzen Experten die Kosten. Porsche hat allerdings angekündigt, in seinen jüngst in Chile eröffneten Anlagen einen Liter synthetischen Sprits für weniger als 1,90 Euro herstellen zu können. Der Autobauer kann in der windreichen Region vergleichsweise günstig Strom mit erneuerbaren Energien herstellen.
Unabhängig davon, ob dieser Preis erreichbar ist, können E-Fuels eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Energiequellen sein, wenn man den Blick auf die weltweit rund 1,4 Milliarden Pkw richtet. Die fahren zum großen Teil mit Verbrennungsmotoren – und das noch viele Jahre. Dabei belasten sie das Klima.
„Selbst bei einem konsequenten Hochlauf der E-Mobilität und zeitgleicher Verringerung des globalen Bestands werden nach 2040 und auch nach 2050 noch Hunderte Millionen von Fahrzeugen mit Verbrennern auf den Straßen dieser Welt unterwegs sein“, sagt Monika Griefahn, Vorstandsvorsitzende des Lobbyverbandes eFuel Alliance. Früher war sie niedersächsische SPD-Umweltministerin und Mitbegründerin von Greenpeace Deutschland. Für Griefhahn steht fest: „Verfolgen wir wirklich ambitioniert die Nettonull 2050, braucht man eine adäquate Lösung für den Bestand, und diese Lösung heißt nun mal E-Fuels.“
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