In der Generaldebatte zum Haushalt hat Bundeskanzler Olaf Scholz’ (65, SPD) die 16 Bundesländer, die Kommunen und die Union als größte Oppositionsfraktion zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung zur Modernisierung des Landes aufgerufen. Die Maßnahme: ein gemeinsamer „Deutschland-Pakt“. Er solle „unser Land schneller, moderner und sicherer“ machen, so Scholz.
ABER: Ist der„Deutschland-Pakt“ wirklich der Weg in die Zukunft – oder alter Wein in neuen Schläuchen? In BILD analysieren Experten, wie viel Wumms wirklich in dem Pakt steckt.
Bau-Experte: „Dringend notwendigen Schub für den Wohnungsbau wird es mit ‚Deutschland-Pakt‘ nicht geben“
► Wichtigster Punkt des Plans: Ein „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ zwischen Bund und Ländern. So sollen zum Beispiel Baugenehmigungen einfacher erteilt werden.
Doch die Kritik folgte umgehend!
Schleswig-Holstein-Chef Daniel Günther (50, CDU) zeigte sich verwundert über den Vorschlag – neu sei das alles nicht. „Seit anderthalb Jahren drängen wir Länder auf einen solchen Pakt“, so Günther. Die Länder hätten ihre Hausaufgaben gemacht: Ein von allen 16 gefasster Beschluss zur Planungsbeschleunigung liege dem Bund seit November 2022 vor.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (48, CDU) nannte Scholz’-Vorschlag in der „Rheinischen Post“ darum einen reinen „PR-Gag“.
Zurückhaltendes Lob für das Vorhaben Branchen-Experte Peter Hübner (63), Präsident des Bauindustrieverbands HDB. „Der digitale Bauantrag oder die Vereinheitlichung der Landesbauordnungen – wenn es wirklich so weit kommt, wäre das ein großer Schritt für die Branche“, lobt Hübner. Doch er macht auch klar: „Den dringend notwendigen Schub für den Wohnungsbau wird es mit dem ‚Deutschland-Pakt‘ nicht geben. Denn vor dem Genehmigungsprozess steht die Investition. Und die bleiben derzeit aus!“
Wirtschafts-Experte: „Staatliche Subventionen sind nicht die Lösung“
► Weiterer Punkt im Scholz-Plan: Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum stärken. So soll z.B. die Gründung von Start-Ups erleichtert werden.
Fakt ist: Der Staat fördert bspw. bereits den Bau der Chipfabrik des taiwanesischen Chipherstellers TSMC in Dresden mit fünf Milliarden Euro, Intel bekommt rund zehn Milliarden Euro für den Bau seiner Chipfabrik in Magdeburg. Kritik kam direkt von Ifo-Präsident und Top-Ökonom Professor Clemens Fuest (54): Deutschland subventioniere Einzelinvestitionen – wie etwa die Intel-Chipfabrik – mit viel sehr viel Geld. Geld, das laut Fuest „verpulvert“ sei.
Der Experte deutlich: „Staatliche Subventionen sind nicht die Lösung, das sollten wir möglichst schnell abbauen oder gar nicht erst anfangen.“
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Digital-Experte: „Endlich wird die Verwaltungsmodernisierung zur Chefsache“
► Nächster Punkt: Verwaltung modernisieren und digitalisieren. Bis Ende 2024 sollen wichtige Dienstleistungen wie Anträge auf einen neuen Führerschein oder Personalausweis oder das Eltern- und Bürgergeld „durchgängig“ online möglich sein.
Dirk Freytag (53), Präsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) zu BILD: „Endlich wird die Verwaltungsmodernisierung zur Chefsache. Im europäischen Vergleich springt der Bundeskanzler aber zu kurz.“
Migrationsexperte: Gute Idee, die aber in der Praxis scheitert
► Vierter wichtiger Punkt im Deutschland-Pakt: Mehr Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen und gleichzeitig irreguläre Migration begrenzen.
Migrationsexperte und Rechtsanwalt Philipp Pruy (36) zu BILD: „Die Idee hinter dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist sicher gut. In der Praxis scheitert eine effektive und zügige Fachkräfteanwerbung an der Struktur des deutschen Visumssystems.“
Für Rechtsanwalt Pruy steht fest: „Alle Beteuerungen, die Visaverfahren entbürokratisieren und beschleunigen zu wollen, scheiterten in der Vergangenheit an den verkrusteten Strukturen des Auswärtigen Amts.“ Er macht außerdem klar: „Die Vorstellung der Bundesregierung, man könne durch Digitalisierung und Vernetzung der Behörden mehr Abschiebungen durchführen, geht an der Realität völlig vorbei und beinhaltet inhaltslose Versprechen.“