Söder will AKW weiterbetreiben – Grüne kritisieren „durchsichtiges Wahlkampfmanöver“

Söder will AKW weiterbetreiben – Grüne kritisieren „durchsichtiges Wahlkampfmanöver“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will AKWs wie den Samstag abgeschalteten Meiler Isar 2 in Landesverantwortung weiterbetreiben und verlangt vom Bund daher eine Änderung des Atomgesetzes. Bayern fordere vom Bund „eine eigene Länderzuständigkeit für den Weiterbetrieb der Kernkraft“, sagte Söder der „Bild am Sonntag“.

Bayern wolle zudem als Vorreiter in die Forschung zur Kernfusion einsteigen, sagte Söder. Er sprach sich für den Bau eines eigenen Forschungsreaktors aus – „gerne in Zusammenarbeit mit anderen Ländern“. Am Freitagabend hatte Söder im Interview der ARD-„Tagesthemen“ gesagt, er glaube an eine Neuauflage der Kernenergie. „Wir spüren diese große Energiekrise, wir brauchen jedes Fitzelchen Energie.“

Grünen-Bundestagsfraktionschefin Britta Haßelmann hat Söders Forderung als reine Parteitaktik kritisiert. „Söders Aussagen sind ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. In Bayern wird im Oktober gewählt. „Das Atomgesetz verlangt seit 2017 den unverzüglichen Abbau der AKW. Wenn Söder jetzt den Rückbau eines Atomkraftwerks verhindern oder verzögern will, muss geprüft werden, ob das nicht Haftungsansprüche gegenüber dem bayerischen Umweltministerium auslöst“, erklärte sie.

„Ein bisschen Seriosität muss man doch auch von Markus Söder erwarten können. Statt rückwärtsgewandte Debatten zu führen, wäre Söder gut beraten, in Bayern jetzt endlich den Turbo beim Ausbau der Windkraft und Stromnetze einzulegen und endlich auch Verantwortung für die Endlagersuche für den atomaren Müll zu übernehmen“, sagte Haßelmann.

Auch das Bundesamt für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE) wies Söders Forderung zurück. „Die heutigen Forderungen des Bayrischen Ministerpräsidenten unterstreichen, wie wichtig es ist, dass die politische Verantwortung für die nukleare Sicherheit in Deutschland bei der Bundesregierung liegt“, sagte Präsident Wolfram König. „Bundestag und alle Bundesländer einschließlich Bayern haben sich nicht nur auf den Ausstieg aus der Kernenergie verständigt, sondern auch die Endlagersuche nach wissenschaftlichen Kriterien auf den Weg gebracht.“ Der geforderte Sonderweg Bayerns widerspreche geltendem Recht und gefährde die Endlagersuche.

Die Fraktionen von SPD und Grünen im Bundestag freuen sich über den endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland. Der dritte Ampel-Koalitionspartner, die FDP, bedauert hingegen, dass mit Ablauf des Samstags Schluss sein soll mit der Atomkraftnutzung.

„Heute steigt Deutschland aus der Atomkraft aus – und damit endgültig ein ins Zeitalter sicherer und bezahlbarer erneuerbarer Energien“, twitterte die Grünen-Fraktion am Morgen. Diese sicherten die Energieversorgung, schützten das Klima, machten Deutschland unabhängig von Autokraten und legten die Grundlage für eine starke Wirtschaft und gute Jobs.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke verteidigte im Deutschlandfunk erneut den Atomausstieg und garantierte Energiesicherheit in Deutschland. Die Grünen-Politikerin betonte, auch die Energieversorgung im nächsten Winter sei gewährleistet. Dazu setze die Bundesregierung auch auf den Ausbau von erneuerbaren Energien.

Grünen-Chefin Ricarda Lang twitterte, der Atomausstieg bedeute den „endgültigen Einstieg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien.“ Die SPD-Bundestagsfraktion schrieb kurz und knapp auf Twitter: „Atomkraft? Und Tschüss“. Unterlegt war das Bild eines einstürzenden AKW-Kühlturms.

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Die FDP-Fraktion schrieb hingegen auf Twitter: „Wir machen keinen Hehl daraus, dass wir uns beim #Atomausstieg einen befristeten Weiterbetrieb für 1 Jahr gewünscht hätten.“ Dafür gebe es in den Ampel-Fraktionen aber keine Mehrheit. Die Liberalen bekräftigten aber ihre Haltung, dass die drei letzten Atommeiler nach ihrer Abschaltung betriebsbereit bleiben sollten, damit sie im Ernstfall schnellstmöglich reaktiviert werden können.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte, diese Technologie nicht völlig aufzugeben. „Die Kernenergie muss auch nach dem Ausstieg eine Zukunft in Deutschland haben“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Dazu gehört, dass wir die Forschung auf dem Gebiet der Kernfusion ausweiten und die Chancen neuer und sicherer Technologien der Kernspaltung nutzen.“

Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr warb dafür, bei der Energiegewinnung auf Kernfusion zu setzen. „Ich will, dass in Deutschland einer der ersten Kernfusionsreaktoren entsteht. Dazu sollten wir den Einsatz der Kernfusion entbürokratisieren“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

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Die CSU im Bundestag sprach via Twitter hingegen von einem „schwarzen Tag für Bürger, Industrie und Klimaschutz in Deutschland“ durch das AKW-Aus. Auch eine Mehrheit für den Weiterbetrieb in der Bevölkerung habe die Ampel-Koalition nicht zum Umlenken bewogen, bedauerte die CSU-Landesgruppe.

Am Samstag gingen auch zahlreiche Menschen auf die Straße – die einen, um den Atomausstieg zu feiern, die anderen, um dagegen zu demonstrieren. So protestierten etwa nach einem Aufruf des Vereins „Nuklearia“ Befürworter der Atomkraft in Berlin gegen die Abschaltung. Die Naturschutzorganisation Greenpeace hingegen feierte ein Atomausstiegsfest.

Nach rund 62 Jahren sollen an diesem Samstag die drei verbliebenen Meiler in Deutschland – Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg – vom Netz gehen. Die Abschaltung wird kurz vor Mitternacht erwartet.

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