Teller statt Tank: Geht Biosprit überhaupt noch? – Nachrichten

Teller statt Tank: Geht Biosprit überhaupt noch? – Nachrichten

Ungewohnte Töne von den Umweltschützern schlechthin: Greenpeace fordert einen sofortigen Stopp von Biosprit. “Angesichts der weltweiten Hungersituation sollte der Pflanzenanteil in Benzin und Diesel komplett auf null Prozent heruntergefahren werden, und zwar am besten sofort” – so zitiert die Funke Mediengruppe den Greenpeace-Experten Martin Hofstetter am Samstag. Sein Argument: Die Ernten müssten jetzt sinnvoll verwendet werden.

Dass Raps, Getreide und Sonnenblumenöl im Autotank landen, sei “in der heutigen Weltlage nicht sinnvoll”. Zehn Millionen Tonnen Lebensmittel würden pro Jahr zu Kraftstoffen – um damit gerade mal rund vier Prozent des verbrauchten Treibstoffs durch Biosprit zu ersetzen. Der in Deutschland angebaute Raps beispielsweise könnte sofort als Lebensmittel verwendet werden.

“Teller statt Tank”

Die Bundesregierung hat angekündigt, wegen stark gestiegener Lebensmittelpreise den Einsatz von Biosprit aus Pflanzen per Gesetz zu begrenzen. “Teller statt Tank” sei die Devise, hieß es auf der Umweltministerkonferenz am Freitag. Auch ein Tempolimit sei nötig, um den Spritverbrauch zu senken. Allein in Deutschland würden 2,4 Millionen Tonnen Futter- und Lebensmittel eingesetzt, um Bioethanol als Kraftstoffbeimischung zu produzieren.

Export-Weizen steckt in der Ukraine fest

Die Lage: Im Zuge des Krieges gegen die Ukraine blockiert Russland derzeit den Export von Getreide aus der Ukraine. Die aber ist einer der größten Getreideexporteure der Welt. Nach UN-Angaben lagern derzeit knapp 25 Millionen Tonnen für den Export bestimmtes Getreide in der Ukraine – und auf dem Weltmarkt fehlen diese Millionen Tonnen. Die UNO warnt bereits vor Hungersnöten in Afrika und Asien.

Am Samstag meldete dann auch noch Indien, der zweitgrößte Weizenproduzent der Welt, ein Verbot von Weizenexport ohne vorherige Genehmigung der Regierung. Wegen extremer Dürre fürchtet das Land Ernteausfälle.

Kann man Biodiesel tanken?

Noch Mitte März hatte der ADAC Autofahrer ermuntert, E10 zu tanken, um bei Rekodspreisen für Benzin ein bisschen zu sparen. Umweltpolitisch sei das “eine gute Sache”: Mit dem Bioethanolanteil in E10 aus Pflanzen könnten im Straßenverkehr jährlich bis zu drei Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.

Viele Experten sehen das mittlerweile kritisch: In der aktuellen Krise, wo ein echter Engpass bei der Lebensmittelversorgung droht, sollten “Lebensmittel auf dem Teller landen statt als Ökotreibstoff im Tank”, sagt Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Uni Rostock.