V2X: Das Elektroauto spendet Strom

V2X: Das Elektroauto spendet Strom

Das Elektroauto soll eine zentrale Rolle bei der Mobilitäts- und Energiewende spielen. Dabei geht es zunächst ums Fahren. Doch künftig könnte daraus weitaus mehr werden: E-Mobile, so das Szenario, würden dann nicht nur Strom nehmen, sondern auch wieder abgeben. Ans allgemeine Stromnetz beispielsweise, und so die Schwankungen bei Wind- und Sonnenenergie abfedern. Manches ist jetzt schon möglich, anderes wird noch dauern.

V2X: Das Elektroauto spendet Strom

Kann schon jetzt auch geben: Hier versorgt der Kia EV6 das Laptop mit Strom.

Kia

Während sich die oftmals frischgebackenen Besitzer von Elektroautos noch Gedanken darüber machen, woher ihr Fahrzeug den benötigten Strom beziehen wird – Wallbox für zuhause? Ladestationen unterwegs? – gehen andere Überlegungen bereits in die entgegengesetzte Richtung: Das E-Mobil soll nicht nur Strom tanken, sondern auch spenden können.

Die zentralen Begriffe dabei lauten bidirektionales Laden und V2X, was für Vehicle to Everything steht und sich in verschiedene Einsatzgebiete aufsplittet: V2L (Vehicle to Load) meint, dass das E-Auto andere elektrische Verbraucher wie E-Bikes oder Notebooks versorgen kann. V2H (Vehicle to Home) denkt schon größer und sieht den Weg des Stroms vom Fahrzeug ins Hausstromnetz vor. Als Königsdisziplin aber gilt V2G (Vehicle to Grid): Hier wird die im E-Mobil gespeicherte Energie ins allgemeine Stromnetz zurückgespeist.

Standzeiten sinnvoll genutzt

Der Gedanke besitzt insofern Charme, als die Technik eine zentrale Rolle bei der Energiewende spielen könnte. Denn Sonnen- und Windenergie stehen nicht immer im gleichen Maß zur Verfügung. Das Stromnetz aber muss ausgeglichen sein. Derzeit obliegt es konventionellen Kraftwerken, die Schwankungen abzufedern, was freilich mit unerwünschten Emissionen verbunden ist. In Zukunft könnten stattdessen Tausende, womöglich Millionen in Pools zusammengefasster Elektroautos als Pufferspeicher für Öko-Strom dienen. Ganz nebenbei würden sie dabei ihre Standzeit sinnvoll nutzen, die – wie bei anderen Fahrzeugen auch – zumeist 90 Prozent des Tages umfasst.

Stromspende vergütet

Porsche sieht noch in anderer Hinsicht eine “Win-Win-Situation”: Die Besitzer der E-Autos könnten sich die Stromspende finanziell vergüten lassen. Und wenn Elektrofahrzeuge zum Ausbau der regenerativen Energien beitragen, dann würde das auch ganz generell “die Akzeptanz der E-Mobilität weiter erhöhen”, wie Lutz Meschke sagt, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Vorstand Finanzen/IT beim Zuffenhausener Sportwagenbauer.

Hyundai Ioniq 5

Bidirektionales Laden: Auch der Hyundai Ioniq 5 ist in der Lage, Strom zu spenden – beispielsweise an ein Pedelec.
Hyundai

Des bidirektionalen Ladens mächtig sind derzeit aber erst wenige Elektroautos. Das sogenannte zulässige Ladeprotokoll fürs Rückspeisen ins Stromnetz gibt es momentan nur für den Chademo-Schnellladeanschluss, der in Europa und den USA jedoch als Auslaufmodell gilt. Selbst die japanischen Chademo-Verfechter wie Nissan oder Mitsubishi sind dabei, auf den CCS-Standard umzusteigen, der – vom Versorgen des Stromnetzes einmal abgesehen – auch einfacheres bidirektionales Laden in aller Regel noch nicht beherrscht. Ausnahmen sind der Hyundai Ioniq 5 sowie seine Schwestermodelle Kia EV6 und Genesis GV60, unter Zuhilfenahme eines Adapters können sie externe Geräte mit bis zu 3,7 kW laden und auch “leergefahrene” andere Stromer wieder fit machen. Auch der fürs zweite Halbjahr 2023 angekündigte Minivan Sion des Start-ups Sono Motors soll entsprechend ertüchtigt werden, VW ist ebenfalls am Thema dran.

Wenn sich Mercedes noch zurückhält und die elektrische Limousine EQE nur auf dem japanischen Markt – der in dieser Hinsicht schon weiter ist – mit einer bidirektionalen Ladefunktion ausstattet, dann erklärt sich das auch daraus, dass in Deutschland die regulatorischen Voraussetzungen zur V2G-Anwendung noch nicht existieren – Traktionsbatterien müssten erst für die Energiespende ans Stromnetz freigegeben werden.

V2X Porsche

V2X: Porsche erprobt, wie E-Autos – hier ein Taycan – während ihrer Standzeit Energie ins öffentliche Stromnetz zurückspeisen können.
Porsche

Pilotprojekte angelaufen

Dass die Autohersteller in der Technologie dennoch Zukunftsperspektiven sehen, dokumentieren einige Pilotprojekte. Hyundai beispielsweise erprobt die V2X-Technologie einerseits in Berlin, modifizierte Ioniq-5-Modelle teilen dort ihren Strom mit einem Hausnetz, anderseits hat man die niederländische Stadt Utrecht mit 25 Exemplaren des Stromers ausgestattet, die zunächst im Carsharing zum Einsatz gelangen und perspektivisch über öffentliche, vom  Mobilitätsanbieter “We Drive Solar” entwickelte Ladesäulen ans allgemeine Netz angeschlossen werden sollen. Bei Porsche wiederum laufen Tests in Kooperation mit dem Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW und dem Beratungsunternehmen Intelligent Energy Services (E2S), fünf Taycan-Modelle haben in häuslicher Umgebung und – unter Laborbedingungen – mit dem Stromnetz Verbindung aufgenommen. Und BMW ist am Forschungsprojekt “Bidirektionales Lademanagement – BDL” beteiligt, als dessen Träger das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) agiert.